SPOT Interview - Sabine de Mardt über Gaumont: „Wir sind ein europäisches Haus“
17. Oktober 2024 | Thomas Schultze / SPOT
Sechs Jahre operiert Gaumont erst am deutschen Markt. In dieser kurzen Zeit hat Sabine de Mardt die Kölner Produktionsfirma als echtes Powerhouse etabliert. Im Rahmen unseres NRW-Schwerpunkts rund um das Film Festival Cologne haben wir sie befragt, was bereits erreicht wurde und was als Nächstes kommen wird.
Gaumont Deutschland Geschäftsführerin Sabine de Mardt
Wie sehr sehen Sie Gaumont in Deutschland als Produktionshaus mit internationaler Ausrichtung? Gibt es internationale Partner, mit denen Sie besonders gerne arbeiten, die womöglich auch Ihre Philosophie teilen?
Sabine de Mardt: In erster Linie sind wir eine deutsche Produktionsfirma, die vorrangig für den deutschen Markt produziert. Das ist unser Hauptfokus im Rahmen unserer internationalen Familie. Im kommenden Jahr wird unser Mutterhaus 130 Jahre alt, die älteste Filmproduktionsfirma der Welt. Das finde ich immer wieder beeindruckend, da wir auf eine so lange und innovative Filmgeschichte blicken. Seit den Anfängen bis heute ist Gaumont ein unabhängiges und inhabergeführtes Unternehmen mit einer großen Filmtradition, dessen CEO Hauptgesellschafterin Sidonie Dumas ist. Dahinter verbirgt sich kein komplexes Hierarchiegefüge, sondern kurze Wege. Ich stimme mich direkt mit ihr ab. Neben Paris und Köln und Berlin gibt es Niederlassungen in Los Angeles, London und Rom. Da ist es naheliegend, dass wir miteinander arbeiten und voneinander lernen, besonders im Hinblick auf die zunehmenden internationalen Kofinanzierungen.
Es gibt einen engen internationalen Austausch und einige Projekte, die wir zusammen in unterschiedlichen Konstellationen planen. Der Verbund mit Gaumont hat viele positive Aspekte. In Frankreich haben wir nicht nur einen Verleih, sondern auch einen Weltvertrieb, der auf Filme und Serien aus unserem Haus ausgerichtet ist. Auch da gibt es Unterstützung, wenn wir Projekte als Koproduktionen aufsetzen oder Hilfe bei der Finanzierung benötigen.
Sie waren ja nicht untätig.
Sabine de Mardt: In der Tat, unser Start verlief rasant. Bereits kurz nach unserer Gründung in Deutschland haben wir die erste Staffel von „Barbaren“, eine der aufwendigsten Netflix-Serien aus dem deutschsprachigen Raum realisiert, die zweite Staffel startete in 2022. Für Sky haben wir drei Staffeln der Comedy-Serie „Die Wespe“ realisiert und für Disney+ unsere Serie „Deutsches Haus“, nach dem Roman von Annette Hess. Nicht zu vergessen unsere ZDF-Produktionen „Westwall“, „Die zweite Welle“ oder „Reset – Wie weit willst du gehen?“, sowie einige TV Movies und Reihen. Aktuell sind wir in der Postproduktion von „Anywhere“(AT), einer großen Serie für Paramount+, von Autorin und Showrunnerin Jana Burbach. Auch konnten wir in den letzten Jahren zwei internationale Koproduktionen, die in ihrer Finanzierung komplexer sind, realisieren: „Nona und ihre Töchter“ (frz.-deutsche Miniserie) eine wunderbare, komödiantische Familien-Serie gemeinsam mit Arte und dem SWR unter der Federführung unserer französischen Kolleginnen und „In Her Car“, unsere ukrainische Kriegsdramaserie und paneuropäische Koproduktion, die europaweit für viel Aufmerksamkeit sorgt.
Wie sehr wird Gaumont in Deutschland dadurch geprägt, dass das Mutterhaus in Frankreich sitzt? Wie eng ist die Verbindung?
Sabine de Mardt: Gaumont ist ein Familienunternehmen und man kann es auch insgesamt gut mit einer Familie vergleichen: Wir sind alle erwachsene Töchter: jede für sich sehr unabhängig. Aber wir haben eine enge Verbindung miteinander. Das gibt uns viel Freiheit und unterschiedliche Möglichkeiten. Ich betrachte es als großes Geschenk, Teil einer so vielfältigen, internationalen Familie zu sein. Die eigene Identität europäisch zu denken und immer über den Tellerrand zu schauen, halte ich für unabdingbar. Wir sind ein europäisches Haus mit europäischen, demokratischen Werten. Unsere Geschichten hören nicht an den Ländergrenzen auf. Wir möchten durch Koproduktionen und internationale Geschichten Menschen über Grenzen hinweg verbinden.
Immer wieder setzen Sie Maßstäbe, gehen dezidiert neue Wege – nur als naheliegende Beispiele „Barbaren“, „Deutsches Haus“. und Reset“ Werden Sie in dieser Richtung auch künftig Akzente setzen – oder lassen derartige Ausnahmeprojekte nicht erzwingen?
Sabine de Mardt: Solche besonderen Projekte erfordern nicht nur professionelle Expertise, sondern auch ein kreatives Umfeld, in dem Ideen geschützt wachsen können. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in den Menschen, die diese Projekte realisieren. Ein Team, das auf Augenhöhe zusammenarbeitet – sowohl innerhalb von Gaumont als auch mit externen Kreativen – ist entscheidend. Ich bin sehr stolz auf unser Team und freue mich, dass sich herausragende Kreative bei uns wohlfühlen. Besonders berührt hat mich die Dankesrede von Annette Hess beim Gewinn des Deutschen Fernsehpreises, in der sie betonte, wie sehr sie sich von uns unterstützt und gestärkt gefühlt hat. Was könnte man sich mehr wünschen? Es geht darum, ein gemeinsames Ziel zu haben und den Weg miteinander zu gehen.
Dabei soll nie der Respekt, der liebevolle Blick und der sensible Umgang miteinander aus den Augen verloren werden. Das ist der Schlüssel für eine gute Zusammenarbeit! Hierfür muss nicht jedes Projekt ein riesiges Format sein, es können auch kleinere Filme und Serien entstehen, aber immer im Sinne der Marke Gaumont, die für Qualität und Relevanz steht. Wir wollen spannende Geschichten erzählen, dabei aber auf keinen Fall didaktisch sein, sondern immer gut unterhalten. Es ist Lebenszeit, wenn man einen Film oder eine Serie schaut. Dann muss es auch das Herz berühren.
Wie sehen Sie die Entwicklung von Gaumont in Deutschland in den nunmehr sechs Jahren seit Start? Wie sehr haben Sie in dieser Zeit eine eigene Identität entwickeln können?
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Das vollständige Interview finden Sie bei SPOT-Mediafilm:
Sabine de Mardt über Gaumont: „Wir sind ein europäisches Haus“